Gegen die Wand

Kriegsfotografen über ihren Beruf

Foto: Ivor Prickett (The New York Times)

Pressefotografen bringen uns das Grauen der Welt näher. Nicht nur, aber auch. Von manchen Konflikten in entlegenen Regionen würde die Öffentlichkeit ohne ihre Arbeit nie erfahren. Aber wie muss man gestrickt sein, wenn man sich freiwillig mit der Kamera in Kriegsgebiete begibt? Hier kommen zehn Antworten auf diese Frage.

Ich verbringe viel Zeit mit Soldaten, aber es sind eher stumme Begegnungen. … Soldaten, wie ich sie in Afghanistan, Ruanda oder in Bosnien traf, sind meist einfache Menschen, ausgestattet mit dem gesunden Menschenverstand von Landmenschen mit enger Beziehung zur Natur. Er weiß, wie man Feuer macht, welches Holz man schlagen muss oder wie man sich nachts im Wald orientiert. Sein Bezug zum Leben ist viel elementarer.
Luc Delahaye, „Freitag“

Der Beruf des Kriegsfotografen ist ein Mythos. Eigentlich gibt es den Beruf gar nicht. Es ist ganz selten, dass Fotografen ausschließlich Kriege fotografieren. Die meisten Kollegen fotografieren auch viele andere Themen. Das muss man auch machen, um nicht wahnsinnig zu werden.
Christoph Bangert, „Freitag“

Ein Bild, das das wahre Gesicht des Krieges zeigt, ist ein Antikriegsbild. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, was ein Krieg mit den Menschen und der Gesellschaft anrichtet. Es wäre sehr schwierig, das anzupreisen. Deshalb glaube ich, dass Fotos das wahre Gesicht des Krieges darstellen und sich dagegen aussprechen, Krieg als Mittel für die Politik einzusetzen.
James Nachtwey, Euronews

Wenn sich ein Fotograf in eine Konfliktzone begibt, ohne dafür sensibilisiert zu sein, dann ist es nicht nur für ihn gefährlich, sondern auch für seine Kollegen und andere Menschen. Es ist also gut, die Angst zu spüren. Diese Angst zu nutzen, ist auch wichtig, damit du für dich selbst ein paar Grenzen formulieren kannst. Du entwickelst eine Art sechsten Sinn, der dich spüren lässt, wie sich Situationen entwickeln werden. Du weißt instinktiv, ob es zu gefährlich ist, weiter an einem Ort zu bleiben.
Jérôme Sessini, canon.de

Junge Menschen schreiben mir oft Briefe und rufen mich an. Was mich am meisten nervt, ist, wenn sie sagen, sie möchten Kriegsfotograf werden. Ich sage dann, in Ordnung, dann gehen Sie in die Innenstädte Englands. Sie müssen nicht in den Nahen Osten oder sonst wohin fliegen. Es gibt soziale Kriege in unseren Städten: Obdachlose, arme Menschen, Menschen, die vor Banken betteln. Sie werden die unglaublichste Armut finden, und das ist genau so ein schlimmer Krieg wie jeder andere.
Don McMullin, canon.de

Der verwegene Kriegsfotograf mit seinem Schal und einer hübschen Freundin an seiner Seite, der romantisch durch die Welt jettet, ist ein furchtbares Klischee. Es ist verantwortlich für die Initiation der jungen Fotografengenerationen, die sich nicht kritisch mit Themen auseinandersetzen, sondern vielmehr an der Romantik des Kriegsfotografen interessiert sind. Sie wollen nicht in die Tiefe gehen und sind später nicht in der Lage, mit dem Schmerz und der persönlichen Zersetzung umzugehen, die der Job mit sich bringt.
Michael Kamber, Freelens

Der Krieg an sich interessiert mich gar nicht so sehr. Mich interessiert eher das Momentum, das um den Krieg herum entsteht. Der Krieg hat einen unglaublichen Sogeffekt. Aber auch einen unheimlichen Knalleffekt und all die Journalisten und Fotografen fliegen darauf, wie die Motten ins Licht. Ich glaube allerdings, dass man sich davon ein bisschen distanzieren kann. Die für mich spannenderen Geschichten passieren um den Krieg herum, im Hinterland der Front.
Andy Spyra, Qantara.de

Es gibt einen Unterschied zwischen einem Bild, das schockiert, und einem, das informiert. Viele Bilder zeigen ja tote Körper mit Ortsangabe. Aber das sind oft keine starken Bilder. Würde man von der gleichen Szene ein anderes Bild machen, nur das Gesicht aus der Nähe aufnehmen, die Augen noch offen, wäre das Ergebnis erschreckend. Vielleicht verfolgt es einen, aber es bewirkt, dass man für eine Weile hingucken will.
Michael Christopher Brown, „Tagesspiegel“

Viele Fotografen bilden den Krieg lediglich als aktuelles Ereignis ab, nicht aber seine Resultate, die ja eigentlich viel mehr transportieren. Ihre Bilder sind vielfach geprägt durch unsere heutige Bilderwelt, der Einbettung in militärische Einheiten, von Hollywood-Action und der Romantisierung des Krieges.
Kai Wiedenhöfer, Interview: Rolf Nobel

Krisengebiete zu verlassen, ist schwierig; schwieriger, als in solchen anzukommen. Man ist dort voll fokussiert, alle Sinne arbeiten, man fühlt sich lebendig, im Flow. Im Südsudan habe ich auf dem Boden geschlafen, mit halbleerem Magen. Dann fliegst du zurück, plötzlich haben die Menschen alles. Das fühlt sich manchmal an, als ob du gegen eine Wand läufst. Ich denke dann: Das kann nicht die Realität sein.
Dominic Nahr, „Tagesanzeiger“

 

Zusammengestellt von Claus Spitzer-Ewersmann

Dieser Beitrag stammt von:

Claus Spitzer-Ewersmann

Claus Spitzer-Ewersmann ist einer von zwei Gründern und Geschäftsführern der Agentur Mediavanti. Sein Credo: Gutes bewahren und dabei Neues entwickeln. Und nie den Lösungen nach Schema F vertrauen.

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