Feuer gefangen …

Im Rahmenprogramm der World Press Photo wird diskutiert, was Pressefotos zeigen dürfen.

Foto: Frank van Beek / Hollandse Hoogte

Was dürfen Pressebilder zeigen und was nicht? Diese Frage begleitet die Ausstellung der World Press Photos rund um die Welt. Und sie ist weiterhin hochaktuell. Auch in Balingen steht sie im Mittelpunkt einer Diskussion.

Als Schlag in die Magengrube. Tief, fest und wirksam. So haben nicht wenige Betrachter des Pressbildes des Jahres 2018 die Aufnahme des Fotografen Ronaldo Schemidt empfunden. Es zeigte einen jungen Demonstranten, der am Rande heftiger Proteste gegen Venezuelas Präsidenten Maduro in Caracas Feuer gefangen hatte.

Darf man solch ein Foto veröffentlichen? Müssen es die Medien bringen? Warum hat es die Jury des wichtigsten Pressefotowettbewerbs der Welt ausgezeichnet?

Die letzte Frage zumindest beantwortete die Juryvorsitzende Magdalena Herrera in ihrer Laudatio: „Dieses Foto hat eine unmittelbare Energie. Die Farben, die Bewegung … und es ist sehr gut komponiert – es hat Kraft.“ Und Jurymitglied Whitney C. Johnson konstatierte, das Bild symbolisiere „nicht nur einen brennenden Mann, sondern die Idee eines brennenden Venezuela“.

Rolf Nobel, langjähriger Leiter des Studiengangs „Fotojournalismus und Dokumentarfotografie“ an der Hochschule Hannover, zweifelt die Qualität der Aufnahme nicht an. „Hier hat ein Profi seine Arbeit richtig gut gemacht“, bestätigt der Experte. Aber: „Es fehlen der Zusammenhang und die Verortung zum Konflikt in Venezuela.“ Das Bild gleiche einem „Schnappschuss aus einem Actionfilm“.

Brauchen wir solche Fotos, um Konflikte tatsächlich wahrzunehmen? Um mitzubekommen, was am anderen Ende der Welt passiert? Benötigen wir die Keule – oder tut es nicht doch auch das Skalpell? Fragen wie diese sind so alt wie die Pressefotografie selbst. Und sie begleiten Chefredakteure und Redaktionsleiter durch ihr ganzes berufliches Leben. Je spektakulärer eine Aufnahme, je größer der Hingucker, desto mehr Aufmerksamkeit. Diese These findet viele Befürworter. Aber es gibt auch die Gegenposition: Zeigt nicht nur das Grauen, zeigt auch das, was Hoffnung macht! Schließt sich das aus?

Klar ist: Der Fotograf muss solche Zweifel beiseite wischen. Er muss abbilden, was er sieht. Sonst macht er keinen guten Job. So sagt Rolando Schemidt, er habe nahezu reflexartig reagiert, als er die Hitze hinter sich spürte, „und fotografiert, ohne zu sehen, was vor sich ging“. Die Brisanz seiner Fotos habe er erst später erkannt. Immerhin: Der Demonstrant hat überlebt – mit Verbrennungen ersten und zweiten Grades. Das Feuer wurde weniger Meter hinter Ronaldo Schemidt gelöscht.

Dieser Beitrag stammt von:

Claus Spitzer-Ewersmann

Claus Spitzer-Ewersmann ist einer von zwei Gründern und Geschäftsführern der Agentur Mediavanti. Sein Credo: Gutes bewahren und dabei Neues entwickeln. Und nie den Lösungen nach Schema F vertrauen.

Weitere Beiträge aus unserem Magazin

Skip to content